Leserbrief an die Esslinger Zeitung (08.10.2018)
Kein Bericht über die Seebrücke?
Medien beeinflussen die politische Stimmung in der Gesellschaft. Zum Beispiel, indem sie manche Themen hervorheben und andere ignorieren. Als am vergangenen Samstag die Aktionsgruppe SEEBRÜCKE Esslingen auf dem Esslinger Hafenmarkt eine Kundgebung veranstaltete, war kein Reporter der Esslinger Zeitung zugegen. Thema war die europäische Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen. Mehr als 1700 Menschen sind 2018 bereits auf ihrer Flucht übers Mittelmeer ertrunken. Rettungsboote, die in Seenot geratene Flüchtlinge aufnehmen, dürfen nicht in die Häfen einlaufen, die Seenotretter werden angeklagt, kriminalisiert und festgesetzt. Diese Situation verstößt gegen zentrale Grundwerte wie Mitmenschlichkeit, Verantwortung, Nächstenliebe. Das macht viele Menschen fassungslos. Doch die Esslinger Zeitung hält das Thema nicht für relevant genug, um über die Kundgebung zu berichten: weder im Vorfeld als Ankündigung, noch als Bericht im Anschluss an die Veranstaltung. Wie kann das sein?
In der Aktionsgruppe SEEBRÜCKE haben sich Privatpersonen und ehrenamtliche Helfer unterschiedlicher Flüchtlingsinitiativen in Esslingen zusammengeschlossen. Diese Initiativen sind in Esslingen sehr aktiv; sie sind keine Randerscheinung, sondern eine feste Größe im bürgerschaftlichen Leben der Stadt. Wenn unser Innenminister mit Blick auf den bayrischen Wahlkampf immer neue Diskussionen über die Gefährdung unserer Gesellschaft durch die Flüchtlinge entfacht, so wird dies dankbar von der Zeitung aufgegriffen und breit ausgeführt. Wenn die Esslinger Flüchtlingsinitiativen auf Missstände hinweisen und durch ihr Engagement zeigen, dass es möglich ist, Integration positiv mitzugestalten, dann ist das keiner Rede wert??
Wenn die Esslinger Zeitung solche Aktionen wie die Kundgebung auf dem Hafenmarkt in ihrer Berichterstattung ausblendet, trägt sie zur einseitig negativen Wahrnehmung des Flüchtlingsthemas in der Gesellschaft bei. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, mit welcher Absicht dies geschieht.
Stefanie Eichler
Freundeskreis Flüchtlinge Oberesslingen